Fröhlich in der "Frittenschmiede"
NRZ Panorama, 02.01.2008, JUTTA BUBLIES
ESSEN. Warum Raimund Ostendorp nicht mehr in einer
Drei-Sterne-Küche, sondern an einer Fritteuse in Wattenscheid
steht.
WATTENSCHEID. "Mahlzeit!" Raimund Ostendorp steht neben seinem
Hähnchen-Grill, klopft Schultern, schüttelt Hände.
"Wie immer? Die Currywurst ein bisschen scharf gemacht? Pommes?"
Die Kundschaft nickt, nimmt Platz an Holztischen mit
gelb-blau-orangen Plastikdecken. Eine Urkunde an der Wand lobt die
"beste Pömmse vonne Welt". Es ist Mittagszeit in
Bochum-Wattenscheid, und Ostendorps "Profi-Grill" ist rappelvoll.
Der 39-Jährige strahlt in seine zischende Fritteuse. Obwohl es
Menschen gibt, die behaupten, dass Ostendorp seine Perlen vor die
sprichwörtlichen Säue geworfen habe. Denn der Koch hat
einmal in einer Drei-Sterne-Küche gebrutzelt, bevor er sich
entschied: Alles zu stressig, ich mache 'ne "Frittenschmiede"
auf.
Und die hat im Revier mittlerweile Kultstatus. Seit der
gebürtige Niederrheiner aus Uedem die
Küchen-Karriereleiter freiwillig hinabstieg, kann er sich vor
Medien-Interesse kaum retten. Von der "Sendung mit der Maus"
über "Spiegel TV" bis zur "Financial Times" - Raimund
Ostendorp ist ein Typ, den man den Menschen gerne vorstellt. Einer,
der sein Lebensglück nicht der Karriere opfern wollte. Einer,
der Haute Cuisine kochen konnte, Gänseleber und Kaviar aber
irgendwann satt war. "Früher musste ich perfekt, heute darf
ich Mensch sein", sagt Ostendorp.
Im Gourmet-Tempel "Schiffchen" in Düsseldorf-Kaiserswerth hat
er am Herd gestanden. Heute ein Zwei-, zu seiner Zeit ein
Drei-Sterne-Lokal. Die Arbeit in luftigen, kulinarischen Höhen
war ein Knochenjob. "Ich habe damals 1000 Mark netto verdient und
dafür täglich 12 bis 13 Stunden gearbeitet. Für die
Ehre, für meine Reputation." Schließlich sei der Erwerb
von drei Michelin-Sternen kein Spaziergang, sondern disziplinierte,
hektische und höchst hierarchische Teamarbeit. "Junge Leute
wollen in so renommierten Häusern natürlich etwas lernen.
Allerdings laufen sie Gefahr, dabei verheizt zu werden", meint der
1,96-Meter-Mann. Die betuchte Kundschaft, "für die Essen in
einem solchen Restaurant auch zum Image gehört", bekam
Ostendorp nie zu Gesicht.
Der Gast, das unbekannte Wesen - das schmeckte dem hochtalentierten
Koch irgendwann nicht mehr. Im Januar 1991 warf er den Grill in
seinem Wattenscheider Imbiss an. "Meine Flucht in die Pommes-Bude",
wie er das schmunzelnd nennt. Ein Job-Wechsel, den mancher Kollege
sicherlich mit einem Kopfschütteln quittierte. Für
Ostendorp erwies es sich als der richtige Weg. "Ich wollte lieber
der Kopf einer Maus als der Schwanz eines Elefanten sein. Nicht
zuletzt hat sich das für mich auch wirtschaftlich gelohnt."
Wie man Pommes und Currywurst anrichtet, musste der Gourmet-Profi
allerdings erst lernen. "Im Schiffchen gab's keine Fritten." Wie
bekommt der Ex-Sternekoch seine Pommes so knusperig hin? "Die
sieben Millimeter dicken gehen drei, vier Minuten ins Fett, bis sie
goldbraun sind."
Hat Ostendorp nicht das Gefühl, mit seinem Fast-Food-Laden
einen Beitrag zum Niedergang der deutschen Esskultur zu leisten?
Der Mann, der täglich selbst von seinen Fritten nascht,
schüttelt den Kopf. "Nein, Pommes und Currywurst sind zu
verzeihen, wenn der Essensplan noch etwas anderes vorsieht." Die
Currysauce kommt bei ihm nicht fertig aus dem Eimer, sondern wird
aus Tomatenmark und Gewürzen cremig angerührt. Aus dem
Garten seiner Eltern bezieht der Koch Kappes für den
Krautsalat. Sein Fleisch kauft Ostendorp beim Metzger. Seine
Schnitzel sehen keine Fritteuse, sondern die Pfanne und enden nicht
auf dem Plastik-, sondern auf dem Porzellanteller. Privat stellt
sich der Wahl-Wattenscheider gerne mit Freundin Susanne, einer
Steuerberaterin, in die Küche. Etwa Weihnachten. "Da gab`s
Roastbeef und buntes Gemüse."
Was hält der Mann von den inflationären Kochduellen im
Fernsehen - Stichwort: Lafer, Lichter & Co.? "Die Leute gucken
das gerne. Es bereitet ihnen Wohlbehagen, obwohl ja viele Zuschauer
gar nicht mehr kochen können." Dann schwärmt der
Imbissbuden-Besitzer noch kurz vom TV-Kollegen Johann Lafer. "Der
kommt immer so entspannt rüber, weil er allen um
Nasenlängen voraus ist." Wenn es sich ergebe, gesteht der
39-Jährige, gehe er selbst auch gerne in Lafers Lokal auf der
Stromburg im Hunsrück essen. "Aber nicht in seinem
Gourmet-Restaurant, sondern in seiner Turmstube. Da ist es
nämlich preiswerter." (NRZ)